Hallo, ich bin Sarah und ich liebe Theatralik, Humor und
habe den Hang vieles zu dramatisieren. Zugleich bin ich aber auch ein sehr
feinfühliger Mensch, mit ziemlich viel Liebe im Herzen. Manchmal finde ich nicht
die richtigen Worte um Sachen beschreiben zu können. Doch wenn es jemandem mal
wie mir geht und die Worte fehlen, kann ich sie spüren. Ich bin 28 Jahre jung.
Und stecke sehr wahrscheinlich seit 13 Jahren in einer Midlife Crisis. Mama
gibt dieser Zeitspanne Begriffe wie „Pubertät“ oder
„Persönlichkeitsentwicklung“.
Zwischen Krankheitsbewältigungen, Gewichtszu- und abnahmen,
Traumata, emotionalen Katastrophen, aber auch der Hang vieles mit Humor sehen
zu dürfen- irgendwo da hat sich eine Persönlichkeit entwickelt. Eine
Persönlichkeit, die sich oftmals viele Fragen stellt. Fragen, die ihr mit
Sicherheit auch sehr gut kennt:
„Warum passiert mir das alles?“
„Warum bin ich gerade hier und fühle mich so unglücklich?“
„Warum komme ich innerlich nicht zur Ruhe?“
„Warum? Warum? Warum?“
Also, liebes Leben. Warum darf gerade ich diese Zeilen hier schreiben
und bin ziemlich dankbar dafür? I try to explain:
Mein Vater kam in den 80-iger Jahren als Flüchtling nach
Deutschland. In dieser Zeit herrschte gerade der erste Golfkrieg. Das Schicksal
schlug zu und mein Vater lernte meine Mutter kennen. Hier beginnt der Anfang.
Also mein Anfang. Oder beginnt dieser schon viel eher?
Wie oft habe ich mir ersehnt, dass ich im Iran geboren wäre,
um bei meiner Familie sein zu dürfen? Diese Wärme zu spüren, den Zusammenhalt,
FAMILIE zu erfahren, gemeinsam zu lachen und zu weinen. In einer Gruppe
aufzuwachsen, die durch dick und dünn geht. Mein Vater, der noch sechs weitere
Geschwister hat, schaffte es als Einziger zu flüchten. Und so sind mein Bruder
und ich die einzigen Kinder, die „außerhalb“ geboren wurden.
Diese Gedanken haben mir so oft traurige nachdenkliche
Gefühle bereitet. Doch heute, nach 28 Jahren meines Lebens begreife ich wie
dankbar ich dafür sein kann in Deutschland geboren zu sein. Frei zu sein. Ohne
Krieg aufgewachsen zu sein. Einen Arzt aufsuchen zu können, wann immer ich ihn
brauche. Meine Gedanken frei wählen zu dürfen, ja sogar aussprechen zu dürfen.
Sein darf wer ich sein will.
Religion
Vor ein paar Jahren erfuhr ich, dass ich ein „gebürtiger
Moslem“ sei.
„Dein Vater war Moslem. Deswegen bist du auch einer.“
Okay, das sagt die Theorie. Doch die Praxis sieht so aus,
dass mein Bruder und ich getauft wurden. Seitdem ich denken kann bin ich
Christin, römisch katholisch. Religiös erzogen wurden wir jedoch nicht. Und die
Religion war auch ansonsten nie Thema. Die Wahl, ob ich getauft werden wollte oder
nicht, die hatte ich nicht. Das wurde einfach so gemacht, weil das halt so
gemacht wurde. Und für meinen Vater war das in Ordnung.
Mein einziger Religionsbezug begann in der Grundschule mit
Kopfschmerzen. Denn die Lehrerin schrie den Unterrichtsinhalt förmlich aus sich
heraus. An Schultagen an denen ich
keinen Reli hatte ging es mir sehr viel besser.
Erst im Laufe meines Lebens oder besser gesagt, immer wenn
es mir schlecht ging, befasste ich mich mit der Bibel. Ich war 20 Jahre alt,
als ich die Bibel in den Händen hielt und ich mich erstmals mit meiner Religion
beschäftigen wollte.
Vor drei Jahren lernte ich einen Priester kennen, mit dem
ich mich austauschen konnte. Eine Freundschaft entstand. Offen und ehrlich
konnte ich Fragen stellen, Diskussionen führen, einen offenen Austausch
erfahren. Ich betete. Das erste Mal so richtig. Jeden Abend. Und es ging mir
besser. Die innere Unruhe wich und der langersehnte innere Frieden wuchs. Es
ging mir besser und so kam es, dass die Abendgebete immer weniger wurden.
Doch nun sitze ich hier und überlege wie ich meine innere
Ruhe wiederfinde. Mache mir Gedanken um meine Religion.
Ja, ich bin auf der Suche nach meinem
Glauben.
Ich schäme mich gerade diese Worte zu schreiben, aber ich
möchte ehrlich sein. Ob das Christentum die richtige Religion für mich ist,
weiß ich nicht. An manchen Stellen fühlen sich die Worte und Ansichten der
Bibel nicht vereinbar mit meinem Denken und meinen Gefühlen. Ein ungutes Gefühl
entsteht. Einzig die Wunder, die Jesus vollbracht hat, sind diese, die mich
glücklich machen. Und dann stelle ich mir die Frage:
Wie kann ich wissen, welche Religion die richtige für mich
ist, wenn ich bloß das Christentum kenne?
Nun ist es sicher naheliegend, dass ich also die Religion
meines Vaters kennenlernen möchte. Wenn ich daran denke, breitet sich in mir
ein wundervolles Gefühl aus. Wie ein kleines Kind ging ich also in einen
Buchladen. Zuvor stellte ich mir die Frage, ob die Übersetzung eines Korans
nicht auch eine Interpretation sein könnte. Denn wie sollte eine wortgenaue
Übersetzung Sinn ergeben? Ich fragte eine Freundin, welchen Übersetzer sie
empfehlen würde und hatte danach eine genaue Vorstellung von wem der Koran
übersetzt sein sollte.
In der Buchhandlung kam es dann etwas anders. Drei Varianten
des Korans standen zur Auswahl, aber nicht der, den ich kaufen wollte. Also zog
ich mich zurück und blätterte, verglich die Worte. Dann entschied ich mich nach
Gefühl. So hielt ich meinen ersten Koran in der Hand. Im nächsten Café las ich
die Einleitung. Dieser Koran enthält auch Erläuterungen, die ich zuvor erst gar
nicht wollte. Denn ich wollte mir schließlich meine eigene Meinung machen und
nicht zu sehr beeinflusst werden. Doch als ich dann die Erläuterungen las
empfand ich sie als hilfreich. Ja ich bin über meinen ersten Koran sehr
glücklich.
Nur wenige Tage später stand ich erneut in einem Buchladen.
Automatisch zog es mich in den Religionsbereich und ich wurde sofort
fündig: „Das islamische Gebetsbuch“. Dieses
kleine Minibüchlein zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Denn hier darf ich
noch mehr Hintergründe und Abläufe verstehen lernen.
Und so lag ich gestern Abend in meinem Bett und blätterte in
meinen neuen Büchern. Voller Vorfreude und dem Bewusstsein, dass ich gerade
glücklich bin. Zwar für diesen Moment. Aber durch diesen Moment breitete sich
innere Ruhe aus. Die langersehnte innere Ruhe für einen Augenblick. Dafür bin ich
wirklich dankbar.